Der Begriff „Digitaler Zwilling“ ist bisher vor allem in der Industrie verankert. Dort steht er für die virtuelle Repräsentation physischer Objekte oder Prozesse, etwa bei Maschinen
oder Produktionslinien. Doch dieses Konzept findet auch in der Wohnungswirtschaft
Anwendung – als intelligenter, digitaler Mitarbeitender, der Verwaltungsteams bei ihrer
täglichen Arbeit unterstützt.
Bislang wurde die Digitalisierung der Branche häufig mit dem demografischen Wandel
begründet – etwa im Hinblick auf zukünftige Fachkräfteengpässe. Doch in der Praxis
zeigt sich: Die Belastung ist bereits heute hoch.
Anfragen werden zahlreicher, komplexer und inhaltlich anspruchsvoller – mit der
Erwartung, ebenso präzise und zeitnah eine Rückmeldung zu erhalten. Damit steigen
interne Ansprüche an Effizienz und Transparenz und Verwaltungsteams stoßen im
Tagesgeschäft an Kapazitätsgrenzen.
Vor diesem Hintergrund rückt ein neuer Ansatz in den Fokus: der Einsatz digitaler
Assistenten. Der Digital Twin schafft damit eine neue Ebene der Zusammenarbeit
zwischen Mensch und Technologie.
Warum braucht die Branche einen „digitalen Zwilling“?
Die Wohnungswirtschaft galt über Jahre hinweg als wirtschaftlich stabile Branche. Viele
Prozesse funktionierten auch ohne digitale Unterstützung – mit hohem manuellem
Aufwand, aber ohne spürbaren Zwang zur Veränderung. Digitalisierung wurde oft eher als optionales Zukunftsthema betrachtet.
Häufig wird der Fachkräftemangel als zentrales Argument für die Digitalisierung
genannt. In diesem Jahr berichten 86 % der deutschen Unternehmen von spürbarem
Fachkräftemangel und rund 1 Mio. Menschen gehen bis 2034 pro Jahr in Rente –
systematische Ruhestandsplanung wird unumgänglich.
Doch obwohl der demografische Wandel lange als Hauptargument galt, wird sich dieser eher langsamer auswirken. Neue Mitarbeitenden sind zwar schwer zu finden, aber die
Branche bildet stark aus. Die eigentliche Notwendigkeit entsteht heute durch Arbeitsverdichtung und gestiegene Erwartungen an Service und Reaktionsgeschwindigkeit.
Mehr Anfragen. Mehr Tiefe. Mehr Aufwand
Erfahrungen etablierter Wohnungsunternehmen zeigen, dass die Qualität und Quantität
der Anliegen in der Wohnungswirtschaft seit dem öffentlichen Zugang zu Tools wie
ChatGPT deutlich gestiegen sind. Mietende haben leichten Zugang zu juristischen,
komplexen Informationen und formulieren ihre Anfragen heute zunehmend strukturiert,
präzise und inhaltlich fundiert – größtenteils unterstützt durch KI. Damit wachsen die
Anforderungen an die Bearbeitung, nicht nur in puncto Schnelligkeit, sondern auch
hinsichtlich fachlicher Tiefe und formaler Korrektheit.
Klassische Prozesse geraten dabei an ihre Grenzen und die Branche sieht sich gezwungen, effizienter zu arbeiten – ohne Qualitätsverlust. Heute muss wirtschaftlicher
gedacht werden: Prozesskosten, Skalierbarkeit und Mitarbeiterentlastung stehen im
Zentrum der strategischen Überlegungen.
Der Begriff „Digital Twin“ steht für einen digitalen Mitarbeitenden, der Routineaufgaben
übernimmt – strukturiert, regelbasiert und dialogfähig.
Die Funktionsweise folgt einem klaren dreistufigen Modell:
1. Strukturierte Datenerhebung:
Der Digital Twin empfängt Anfragen über verschiedene Kanäle wie Mieter-App, E-Mail,
WhatsApp oder Telefon. Entscheidend ist, dass er nicht nur entgegennimmt, sondern aktiv Informationen strukturiert abfragt – abgestimmt auf den internen Prozess im
Wohnungsunternehmen. So entsteht bereits im ersten Schritt ein vollständiges und
verwertbares Datenpaket.
2. Regelprüfung und Prozessdurchlauf:
Auf Basis der erhobenen Informationen wird der entsprechende Prozess angestoßen. Der Digital Twin prüft, ob alle Bedingungen erfüllt sind, kann – sofern definiert –eigenständig Entscheidungen treffen oder den Vorgang an die richtige interne Ansprechperson übergeben. Dabei wird jeder Schritt dokumentiert.
3. Ergebnisbereitstellung:
Im letzten Schritt wird das Ergebnis entweder direkt an die Mietenden zurückgespielt oder - bei komplexeren Vorgängen – als vorstrukturierter Fall an das Team im Wohnungsunternehmen übergeben, inklusive Handlungsempfehlung und vorformulierter Antwort.
Ein Mieter stellt eine Anfrage zur Hundehaltung. Der Digital Twin erkennt das Anliegen,
fragt gezielt Informationen wie Rasse, Größe oder Anzahl weiterer Tiere ab und prüft die Angaben gegen hinterlegte Regeln. Liegen alle Voraussetzungen vor, wird die
Genehmigung automatisch erteilt und dokumentiert. Bei Abweichungen erhält die
Verwaltung eine Entscheidungsvorlage.
Eine Mieterin meldet über die App eine dauerhaft laufende Toilettenspülung. Der Digital
Twin erhebt alle relevanten Daten, stuft den Schaden ein und übergibt ihn automatisiert an einen angebundenen Handwerkspartner. Terminvorschläge werden in der App
bereitgestellt, nach Auswahl erfolgt die Beauftragung. Abschließend wird die
Zufriedenheit abgefragt und der gesamte Vorgang im ERP dokumentiert.
Im Unterschied zu klassischen Workflows reagiert er flexibel auf fehlende
Informationen, Ausnahmen oder Sonderregelungen. Er dokumentiert alle Schritte
nachvollziehbar und interagiert über natürliche Sprache. Seine KI-gestützte
Architektur erlaubt nicht nur die Verarbeitung einzelner Datenpunkte, sondern das
Verstehen ganzer Zusammenhänge.
Der Einsatz eines digitalen Zwillings bietet Wohnungsunternehmen klare Vorteile: Prozesskosten können deutlich reduziert, Bearbeitungszeiten verkürzt und
Mitarbeitende spürbar entlastet werden. Gleichzeitig steigt die Servicequalität – durch
strukturierte Kommunikation, nachvollziehbare Entscheidungen und konsistente Abläufe.
Die Dokumentation jedes Schritts schafft Transparenz und unterstützt bei interner
Steuerung ebenso wie bei externen Anforderungen.
Trotzdem sind viele Wohnungsunternehmen noch zurückhaltend. Technisch wäre die
Umsetzung mit Partner wie spiri.bo innerhalb kürzester Zeit realisierbar – der eigentliche Hemmschuh liegt in der Kultur. Automatisierung wird häufig gleichgesetzt mit
Kontrollverlust. Die Sorge, von einer KI ersetzt zu werden, ist weit verbreitet.
Mitarbeitende müssen mitgenommen, Ängste adressiert und Nutzen klar kommuniziert
werden.
Denn eines ist klar: Menschen werden mehr gebraucht als je zuvor. Aber die Vielzahl an
Routineaufgaben, die heute vor allem als Belastung empfunden werden, sollten längst
automatisiert bearbeitet und abgeschlossen werden.